Bauernmuseum vom kaiserlichen Friaul – Aiello del Friuli

Unzählige Male bin ich bereits durch Aiello del Friuli gefahren. Trotzdem habe ich erst vor einiger Zeit bemerkt, wie viele Sonnenuhren an den Häusern und auch dreidimensional vor den Häusern zu finden sind. Die kleine Stadt befindet sich in der Nähe von Udine und Gorizia (Görz), je etwa 30 km bzw. am Weg nach Triest – etwa 50 km ganz im Südosten von Friaul.

Hof der Sonnenuhren in Aiello

Möglicherweise habt ihr mich schon bei meinem Spaziergang durch das Dorf begleitet. Da ich zu meiner eigenen Überraschung so begeistert war, bin ich auch noch zum örtlichen Bauernmuseum gefahren. Leider konnte ich bei meinem 1. Versuch nur den Außenbereich besichtigen, da auf Grund der Corona Maßnahmen die Innenräume gesperrt waren.

Genau nach dieser Einfahrt müsst ihr suchen

Museo della Civiltà Contadina del Friuli Imperiale

Es war für mich nicht schwer herauszufinden, an wen ich mich bezüglich einer Besichtigung wenden konnte. So war es mir möglich, ziemlich spontan einen persönlichen Termin mit Aurelio Pantanali vereinbaren.

Das Museum selbst befindet sich in einem landwirtschaftlichen Gebäudeensemble, dessen älteste Teile aus dem 18. Jahrhundert stammen. Fährt man durch Aiello, kann man immer wieder Wegweiser sehen, aber auch Einheimische weisen gerne den Weg, denn da der Ort übersichtlich ist, kennt fast jeder dieses Anwesen.

Trotz meiner ausbaufähigen Italienisch-Kenntnisse ist es Aurelio gelungen, mir über die Entstehung des Bauernmuseums und die unterschiedlichsten Themenbereiche ausreichend Informationen zu geben, damit ich diese hier zusammenfassen kann.

Hier beginnt unsere virtuelle Reise durch die Vergangenheit

Seit 1992 wird die größte Privatsammlung dieser Art in ganz Friaul gezeigt; die Sammlung umfasst ca. 25.000 Objekte und ist in gut strukturierte Themenbereiche auf 9.000 m² Ausstellungsfläche aufgeteilt.

Erinnerungen werden wach

Als ich durch die Räume gegangen bin, ist mir manches bekannt vorgekommen. Aber denkt jetzt nicht, dass ich schon sooo alt bin. Bei meinen Großeltern und auch im Freilichtmuseum in Großgmain bei Salzburg sowie ähnlichen bäuerlichen Museen (z.B. das Museum Rosso Graspa im Castello di Levizzano) habe ich einiges davon gesehen. Allerdings in einer solchen Menge und Vielfalt wie in Aiello noch nie!

Das Leben der ländlichen Bevölkerung hat sich zweifellos durch die Technisierung in den letzten 100 Jahren massiv verändert – vor allem nach den Weltkriegen rasant! In diesem Bauernmuseum befinden sich Stücke aus der Zeit von 1500 bis ca. Ende des 1. Weltkriegs. Für mich war es besonders spannend zu sehen, wie sich vieles verbessert hat im Laufe der Zeit – also die chronologische Entwicklung an sich.

Ich gehöre ja zu denen, die gerne Erinnerungsstücke aufheben, aber natürlich nur im Kleinen. Sollte all das verloren gehen für nachfolgende Generationen? Zum Glück gibt es in der Region einen Mann, der ebenfalls diese Gedanken hatte und noch dazu die Möglichkeiten, ein solches Unterfangen zu realisieren.

Graf Michele Formentini und seine Sammelleidenschaft

Euch sagt der Name Formentini schon etwas? Richtig, ich habe in San Floriano del Collio bereits eine wunderbare Hochzeitslocation besichtigt und bei dieser Gelegenheit ganz köstlich gespeist. Wenn ich heute den Artikel lese, dann will ich auch gleich wieder hin in diese schöne Gegend.

Conte Formentini hat nach dem 2. Weltkrieg den Familienbesitz übernommen und neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt die Restaurierungsarbeiten in Auftrag gegeben. Eine Never-Ending-Story, wie ihr euch sicher vorstellen könnt.

„Quasi nebenbei“ hat er immer darauf geachtet, dass sowohl der Weinbau und die Geschichte desselben, als auch generell die Geschichte des ländlichen Lebens und das damit verbundene Wissen an die Nachkommen weitergegeben wird.

Kulturverein Formentini – Museum des ländlichen Lebens

Er wollte Erinnerungen bewahren und weitergeben. Also wurde ein Verein in Aiello gegründet und alles, wirklich alles wurde katalogisiert und digitalisiert.

Damit auch in der Zukunft der Zweck der einzelnen Ausstellungsstücke dokumentiert ist.

Es stellte sich mir die Frage: Wie kommt man zu so vielen Exponaten? Aurelio erzählte mir, dass Familien aus der ganzen Region (und teilweise darüber hinaus) Gegenstände und Werkzeuge hier abgeben. Teilweise so viel, dass gar nicht alles genommen werden kann, wenn von bestimmten Objekten bereits mehrere ähnliche vorhanden sind.

Die Sammlung ist in 30 Themengruppen unterteilt

…und somit übersichtlich trotz der Größe. In den beiden Hauptgebäuden sind auf zwei Etagen in teils langen Räumen in Kojen oder Vitrinen die Ausstellungsstücke thematisch zusammengestellt.

Sehr anschaulich sind die einfachen Zimmer von früher aufgebaut und wenn man bedenkt, dass das nur ca. 100 Jahre her ist, kann man die raschen Veränderungen zu unserer Luxusgesellschaft kaum fassen.

Ich kann euch nur meine liebsten Stücke zeigen, denn
1. sollt ihr ja selber hinfahren und
2. habe ich dermaßen viele Bilder gemacht, dass ich unmöglich ins Detail gehen kann.

Spuren der K&K Monarchie

Unser System zu messen und zu wiegen hat es keineswegs schon immer gegeben. Auf der gezeigten Tafel wird extra darauf hingewiesen, dass es sich um das NEUE metrische System aus Österreich handelt.

Wenn man durch diesen Raum durchgeht, befindet man sich in einem Klassenzimmer, wo noch das Bild von unserem Kaiser Franz Joseph I. an der Wand hängt. Gezeigt werden Schreibtische, die man öffnen konnte, sowie Schreibtafeln, die später durch Notizblöcke und heutzutage durch Tablets ersetzt wurden und vieles mehr.

Doch auch bei der Post sind unsere Spuren nicht zu übersehen. Kinder von heute werden sich kaum noch vorstellen können, dass man „früher“ seitenlange Briefe schrieb oder mittels Postkarten Eindrücke von Reisen vermittelte.

Neben Handwerksberufen, die man auch heute noch kennt wie Schuster, Maurer, Imker wird auch eine inzwischen praktisch ausgestorbene Tätigkeit gezeigt:

Scheren- & Messerschleifer

Viele von euch wissen, dass Friaul in vergangenen Jahrhunderten eine arme Gegend war und die Menschen daher auch nur einfachere Werkzeuge zur Verfügung hatten. Nicht wenige mussten durch die Gegend tingeln – teilweise bis in den deutschsprachigen Raum.

Wenn einer eine Reise tut

Im Gegensatz dazu kann man durchaus auch als Laie bei einigen Themenbereichen bemerken, dass die Gegend um Gorizia offensichtlich über mehr Wohlstand verfügte. Reisen zum Spaß und zur Erholung – noch vor 100/150 Jahren für die meisten Bewohner am Land völlig unvorstellbar.

Damals hat bei vielen das ganze persönliche Hab & Gut in 1-2 dieser Koffer gepasst.

Frauenzimmer

Viele der gezeigten Stücke wurden von Männern in unterschiedlichsten Berufsgruppen benutzt. Doch auch aus dem Alltag der Frauen von damals werden Stücke gezeigt. So liebe ich besonders die schön gestalteten Bildchen auf Kosmetikprodukten der Mailänder Parfümerie Bertelli.

Unbedingt auch den Außenbereich beachten

Bereits bei meinem 1. Besuch sind mir die unglaublich großen Maschinen aufgefallen, wobei ich natürlich nicht die Spur einer Ahnung hatte, was es sein sollte. Aurelio hat mir erklärt, dass es sich bei den beiden um Dreschmaschinen handelt. Sie stammen aus dem 19. bzw. frühen 20. Jahrhundert. Angeblich sollten sie noch funktionstüchtig sein, wenn ich das richtig verstanden habe. Glaubt mir – sie sind riesig!

Wer zum Abschluss noch Hunger hat, kann sich in dem kleinen Lokal direkt im Innenhof mit einfachen Gerichten stärken oder auch nur etwas trinken. Natürlich sind auch hier alte Möbel und Dekorationsgegenstände verwendet worden.

Das heutige Esszimmer befindet sich im ehemaligen Stall. Die Öffnungszeiten möchte ich auf Grund der momentanen Situation nicht explizit angeben, denn wie wir alle wissen: Nix is fix!

Bevor ihr den großen Innenhof, in dem man einerseits während des Besuchs parken darf, der aber auch manchmal für Veranstaltungen genutzt wird (große Tribüne im hinteren Bereich) wieder verlasst, achtet auf die 16 Sonnenuhren. Sie gehören auch zu den Besonderheiten, denen Aiello den Beinamen „Ort der Sonnenuhren“ verdankt.

Bitte prüft die aktuellen Öffnungszeiten vom Museum direkt vor der Anreise, nicht dass die Tür für euch geschlossen bleibt!

Museo della Civiltà Contadina del Friuli Imperiale
Via Petrarca, 1
33041 Aiello del Friuli (UD)

mobil: +39 338 3534773
www.museiformentini.it
museo [dot] aiello [at] libero [dot] it

Tanti Saluti

Elena

PS: Ganz besonders habe ich mich gefreut, dass auf der Museumsseite auf meinen Artikel verlinkt wurde! Danke dafür 🙂


Offenlegung:

Mein Besuch erfolgte bei einer privaten Reise. Ich wurde vom Museum weder beauftragt noch bezahlt, jedoch hatte ich die Ehre und Freude einer fachkundigen Führung.


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