Unterwegs auf Giudecca und San Giorgio Maggiore
Es gibt Tage, an denen drängt sich der Trubel Venedigs selbst durch meine Lieblingsstraßen. Dann zieht es mich zu ruhigen Ecken, in denen ich für einen kurzen Spaziergang durchatmen kann. Eine dieser Möglichkeiten möchte ich euch vorstellen.

Trotz meiner Liebe zu Venedig brauche ich kein Gedränge und schon gar keine Souvenirstände. Ich will nur Wasser, Himmel und die leicht verfallenen Häuser (die zu oft übersehen werden), um nach schönen Details zu suchen. Genau das spürt man, sobald man mit dem Vaporetto Richtung Giudecca übersetzt.

Euch stehen mehrere Vaporetto-Stationen zur Wahl. Ob La Palanca, Redentore oder Zitelle, im Grunde spielt es keine Rolle, denn dieser Verbund aus mehreren Inseln lässt sich wunderbar kreuz und quer erkunden.
Venedigs andere Seite
Giudecca ist keine Insel, die sich einem gleich aufdrängt. Jahrelang habe ich sie kaum beachtet. Vor über zehn Jahren bin ich ihrem Charme verfallen, als ich eine Woche lang in der Klosterunterkunft Redentore übernachtet habe. Heute ist das zwar nicht mehr möglich, doch die Ruhe dieser Gegend gefällt mir nach wie vor.

Zwischen Werften, Backsteinmauern und Wäscheleinen sieht man das echte Venedig; das Venedig, in dem Menschen wohnen, nicht nur reisen.

Ich starte meinen Rundgang an der Fondamenta S. Biagio in Richtung Hilton Molino Stucky, einem imposanten roten Ziegelbau, an der Stelle des früheren Klosters Santi Biagio e Cataldo.
Später errichtete der Schweizer Giovanni Stucky, zu seiner Zeit angeblich der reichste Mann Venedigs, eine Mühle mit Teigwarenfabrik. Seit 2007 befindet sich hier eines der bekanntesten Hotels der Stadt mit Kongresszentrum und Pool am Dach.
Von der Dachterrasse (Skyline Rooftop Bar) eröffnet sich ein unglaublicher Blick über die Dächer der Giudecca, den Kanal hinweg auf die Hauptinsel. Doch selbst wenn ihr (wie ich) ebenerdig bleibt – der Blick über den Kanal lässt jedes einzelne Mal mein Herz klopfen ♥

Solltet ihr hier nicht nächtigen wollen oder können, lohnt sich ein kurzer Blick auf Haus und Garten trotzdem. Ich finde, der Umbau ist drinnen und draußen wirklich gelungen!



Danach geht es weiter auf Richtung Fondamenta de Convertite. Rund um diese Gasse wird es plötzlich ruhig – richtig ruhig! Kleine Ateliers, schaukelnde Boote und Katzen, die sich auf sonnenwarmen Stufen räkeln. Menschen habe ich nur wenige gesehen.


Casa Reclusione Femminile Venezia
Nur wenige Schritte vom Hotel entfernt steht ein ehemaliges Kloster, eines der ungewöhnlichsten Gebäude der Insel: die Frauenstrafanstalt von Venedig. Von außen unscheinbar birgt es dahinter ein ungewöhnliches Kapitel venezianischen Alltags.

Im Inneren bestellen die Insassinnen einen kleinen Garten und stellen Handarbeiten her, die man auf dem wöchentlichen Markt oder in sozialen Projekten kaufen kann. Das Gefängnis ist streng abgeschirmt; jedoch man spürt beim Vorübergehen, dass es Teil der Insel ist, weder versteckt noch verdrängt. Im Vergleich dazu wirkt das Männergefängnis nahe der Piazzale Roma deutlich wuchtiger.
Bisher habe ich es leider nie geschafft, zur Verkaufszeit vorbeizuschauen. Irgendwann werde ich Tag und Uhrzeit gezielt wählen, um mir auch davon ein Bild zu machen. Wer schon dort war (der Markt ist jeden Donnerstag von 9 bis 12 Uhr an der Fondamenta delle Convertite), kann mir gern in den Kommentaren berichten.

Ich spaziere weiter Richtung Wasser und entdecke die dreischiffigen Kirche Sant’Eufemia. Sie wurde der römischen Märtyrerin Euphemia geweiht und beherbergt ein schönes Triptychon von Bartolomeo Vivarini (der heilige Rochus und der Engel).

Ein Spaziergang bis zum östlichen Ende
Nach meiner ersten kleinen Runde merke ich den Unterschied: der Blick in die schmalen Gassen, die Ruhe, die Atmosphäre eines Stadtviertels, das nicht nur Kulisse ist. Es gibt auch hier idyllische, kleine Kanäle wie auf den Hauptinseln, allerdings hier wohnen Einheimische!

Es sieht so aus, als gäbe es deutlich mehr Wohnungen als AirBnB Unterkünfte. Ihr findet Spielplätze, die Scuola Palladio, ein Fitnessstudio, (mindestens) ein Lebensmittelgeschäft und vieles mehr, wenn man nur die Augen offen hält und sich durch die Gassen treiben lässt.

Überrascht war ich, dass auch modernere Bauten zwischen den historischen Wohnhäusern zu finden. Das hätte ich definitiv nicht gedacht!
Frische Luft macht hungrig
Wenn der Hunger kommt, bietet sich ein besonderes Lokal nahe der beeindruckenden Kirche Chiesa del Santissimo Redentore an.

Dort, wo die weißen Fassaden aufs Wasser blicken, verbindet das Restaurant “Al Redentor” verlässliche, gute Küche mit venezianischer Tradition. Ich habe hier über die Jahre schon mehrfach Pause gemacht. Eine Alternative gäbt es schon wenige Schritte weiter, falls euch mein 1. Tipp nicht anspricht.


Wer einen ruhigen Aperitivo sucht, kann später in einer der charmanten Bars am Wasser die Sonne untergehen sehen und ein Glas Wein genießen, perfekt, um den Rundgang entspannt ausklingen zu lassen.

Cip’s Club: Am anderen Ende der Insel findet ihr das luxuriöse Lokal Cip’s Club. Mit Terrasse, Blick auf den Markusplatz und stilvoll servierten venezianischen Klassikern. Perfekt, um den Tag mit einem besonderen Abendessen ausklingen zu lassen.

Die besser betuchten Urlauber könnten auch im Belmond Hotel Cipriani nächtigen. Am Bild seht ihr links den Pool, eingerahmt vom Hotel. Ihr erinnert euch vielleicht: George Clooney hat hier 2014 Hochzeit gefeiert.

Ich selbst bevorzuge es bodenständig und habe daher die kleine Fischerkneipe in der Nähe entdeckt, die sehr gemütlich ist und dass die Preise gaaaanz andere sind, brauche ich wohl nicht zu betonen.
Natürlich gibt es noch viel mehr Lokale und auch einige Übernachtungsmöglichkeiten in verschiedenen Preisklassen – deshalb informiert euch rechtzeitig!

Wer es also ruhiger angehen will, ist auf Giudecca genau richtig, ohne sich zu weit von San Marco zu entfernen.

Vaporetti fahren regelmäßig bis spät nachts und auch danach gibt es Möglichkeiten mit der Nachtlinie N. Diese fährt zwar in größerem Takt, aber niemand muss zwingend ein Taxiboot nehmen (wobei auch das eine der Möglichkeiten ist, wenngleich nicht ganz günstig).
Was gibt es noch zu sehen?
Die Hauptsehenswürdigkeit ist zweifelsohne die von Palladio entworfene und bereits genannte Erlöserkirche Il Redentore. Auch die Kirche Le Zitelle an der Ostspitze der Insel geht auf den berühmten Baumeister zurück.

Ein Gebäude, das ihr nicht übersehen dürft, eigentlich kaum übersehen könnt, ist Casa dei Tre Oci. Es liegt zwischen den beiden Hauptkirchen und wurde gleich nach Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet. Ihr könnt dort Fotografie-Ausstellungen besuchen.

Für mich ist Giudecca ideal, nicht nur entlang des Kanals zu spazieren, sondern immer wieder in die Gassen einzubiegen und zu entdecken, was sich dort verbirgt.

Wenn das Zentrum von Giudecca nicht genug Fotomotive bietet, habe ich zwei Ergänzungen für euch:
Sacca Fisola: Am westlichen Ende von Giudecca, hinter der Molino Stucky, liegt ein ruhiges Wohnviertel abseits der Touristenwege. Hier begegnet euch Alltag in Venedig‑Form: Kinder beim Ball spielen, Nachbarn im Gespräch, Boote am Ufer. Ein Platz zum Durchatmen. Unaufgeregt, aber zumindest einmal sollte man auch das gesehen haben.

Die optimale Anreise mit einem Vaporetto ab Piazzale Roma oder Bahnhof, Linie 4.1/Linie 2, Haltestelle „Sacca Fisola“ oder „Giudecca/Palanca“. Einer der Gründe, warum ein Tagesticket (oder mehr) absolut sinnvoll ist.
Nun wenden wir uns der ganz entgegengesetzten Richtung zu.
San Giorgio Maggiore, die Insel der Weite
Je nachdem, wo ihr euren Rundgang begonnen habt, geht es jetzt am Anleger Palanca oder Zitelle ins Vaporetto und in wenigen Minuten nach San Giorgio Maggiore.

Schon von weitem erkennt man die Kirche San Giorgio Maggiore, entworfen von Palladio, strahlend weiß im Sonnenlicht, sicher nicht nur von mir unzählige Male, vor dem Dogenpalast stehend, fotografiert.

Vom Anleger aus steht man direkt vor dem Hauptportal, doch kaum jemand bleibt lange bei der Fassade, alle zieht es in die Höhe. Mich selbstverständlich auch!
Die Auffahrt auf den Campanile lohnt sich unbedingt. Der Preis ist fair, und wir hatten praktisch keine Wartezeit.


Von oben sieht man Venedig in voller Pracht: nicht die chaotische Dächer-Perspektive von San Marco, sondern eine geordnete Weite samt einiger der eingestreuten Inseln.


Man erkennt Santa Maria della Salute, natürlich San Marco mit Glockenturm und Dogenpalast und weiter Richtung Gärten der Biennale.


Unzählige Boote durchkreuzen den Kanal und wäre nicht der heftige Wind gewesen, wären wir sicher noch länger geblieben. Ich konnte mich kaum sattsehen.


Bei meinem Besuch wurde die Basilika gerade renoviert, daher kann ich leider die Highlights nicht zeigen. Es sind aber dermaßen viele Kunstwerke hier zu finden, dass ich sie gar nicht aufzählen kann. FALLS es schon möglich ist, seht euch im Presbyterium von Tintoretto „Das letzte Abendmahl“ an.

Ebenfalls hier zu finden sind 2 Dogengrabmäler. Ich freue mich, wenn mich jemand informiert, sobald alles fertig ist, damit ich neue Fotos machen kann.

Zwischen Hafen und Klosterstille
Am südlichen Rand der Insel liegt der Yachthafen von San Giorgio.

Wir konnten nur davon träumen, dass das Plätschern des Wassers und der Wind die einzigen Geräusche sind. Bei meinem Besuch haben jede Menge Menschen den Gastgarten vom Museumsbistro beim Hafen bei strahlendem Sonnenschein genossen. Ernsthaft gestört hat mich das nicht, denn wir waren voll im Erkundungsmodus.

Vom Turm aus hatten wir die kunstvollen Cini-Gärten mit dem Borges-Labyrinth schon gut im Blick, aber wir wollten uns auch ebenerdig umsehen.

Weiter hinten breiten sich die Gebäude der Fondazione Giorgio Cini aus; einst Benediktinerkloster, heute Kulturzentrum für Konzerte, Ausstellungen und Forschung.




In den Nebengebäuden befinden sich Ausstellungsräume und ein Observatorium.
Bedauerlicherweise war ich im wiedereröffneten Teatro Verde nicht mitten drin.
Aber vielleicht hilft euch der Link zu entscheiden, ob ihr diese Zeit (und noch einiges mehr) bei eurem Besuch einplanen wollt.


Zwei Inseln, ein gemeinsamer Takt
Giudecca und San Giorgio Maggiore liegen nur wenige Minuten voneinander entfernt, und doch wirken sie wie zwei verschiedene Welten. Die eine lebt mit Werkstätten, Wohnhäusern und Alltag. Die andere zeigt sich voller Geschichte, Kunst und weiter Sicht.

Zusammen zeigen sie die stille Seite Venedigs, die man nur entdeckt, wenn man sich Zeit nimmt und den Blick nicht ständig auf den nächsten Programmpunkt richtet.
Tanti Saluti
Elena
Offenlegung:
Der Artikel über diesen Rundgang entstand nach mehreren Besuchen ohne Auftrag und ohne Bezahlung.
