Die Villa Correr Agazzi lädt zur Entdeckung ein

Eine Villa, die nicht jede:r kennt

Wie ihr sicher schon wisst, fahre ich oft einfach so durch die Gegend – immer auf der Suche, nach besonderen Gebäuden.

Als ich in San Stino di Livenza, ein Ort mit etwas mehr als 12.000 Einwohnern, eine Verabredung hatte, habe ich mir das Gebiet natürlich vorab etwas genauer angesehen.

Wir befinden uns zwischen San Donà di Piave und Portogruaro in Venetien. Biverone ist (politisch gesehen) ein Teil davon und genau hier bin ich auf die Villa Correr Agazzi aufmerksam geworden. Sie befindet sich in einer schönen Flusslandschaft, direkt an einer Biegung des Flusses.

Üblicherweise ist sie nicht spontan zu besichtigen. Schon gar nicht von einer einzelnen Person, da die Besitzer in der warmen Jahreszeit teilweise hier leben. Doch ich wollte nichts unversucht lassen und habe kurzerhand Maurizio Marchetto kontaktiert und um einen Besichtigungstermin gebeten.

Wie ihr euch denken könnt – ich war erfolgreich 🙂

Freundlich wurde ich empfangen und während wir durch die Villa samt der Barchessa spaziert sind, habe ich so einiges über die Geschichte erfahren.

Der Park ist eine Oase der Ruhe

Sobald man durch das Portal auf den großzügigen Parkplatz fährt, ist man erst einmal überwältigt vom fast 4 ha großen Park. Zumindest bei mir kam gleich der Gedanke auf: OMG – zum Glück muss ich hier nicht Rasen mähen 🙂

Leider war mein Besuch VOR der Zeit der Rosen, aber ich hoffe, eines Tages wieder zum richtigen Zeitpunkt in der Gegend zu sein und noch einige Aufnahmen mit der üppigen Blumenpracht machen zu können.

Inzwischen bin ich mir sicher, dass ihr ausreichend Fantasie habt, um euch Rosen und andere blühende Schönheiten vorstellen zu können.

Von der Casa Fontego, einem Händlerhaus, zum Place2be für Hochzeiten

Die Villa Correr Agazzi hat eine lange Geschichte. Sie wurde im barocken Stil erbaut und im Laufe der Jahrhunderte renoviert und erweitert. Der genaue Zeitpunkt des Baubeginns und alle Namen der ursprünglichen Besitzer sind nicht eindeutig dokumentiert.

Gelernt habe ich in all den Jahren jedoch, dass diese alten venezianischen Patrizier Residenzen zwar alle einige gleiche Elemente haben, jedoch dann trotzdem total verschieden sind.

Über 400 Jahre Geschichte

Ursprünglich nutzten die Besitzer die Villa nur als Landresidenz im Sommer, was eine Villa von einem Schloss unterscheidet. Das Hauptgebäude der Villa ist der älteste Teil des Komplexes und taucht bereits auf Karten aus dem 16. Jahrhundert auf.

Es wird angenommen, dass die Villa Correr Agazzi im Besitz mehrerer wohlhabender Familien war, darunter die Familie Correr und später die Kaufmanns-Familie Agazzi aus Bergamo, die kurz vor 1600 nach Venedig kamen.

Hier würde ich wirklich gern arbeiten!

Die Villa in ihrer heutigen Form stammt aus der Zeit kurz vor 1700, als Carlo und Iseppo Agazzi, zwei von Francescos Söhnen, mit der Erweiterung und Verschönerung der alten Villa Dominicale begannen.

BTW: Das bekannteste Mitglied der Familie, Marco Antonio Agazzi, wurde sogar Bischof.

1681 gilt mit dieser Tafel (Auszug aus dem Testament) als belegt, aber es gibt auch eine Zeichnung von 1691, die zeigt, WIE GENAU der Komplex erweitert wurde.

Meine besondere Aufmerksamkeit fällt hier auf die Betonung „5 Söhne“; ob es keine Töchter gab oder diese leer ausgingen (wie ich vermute), konnte ich leider nicht herausfinden …

Die Barchessa der Villa Correr Agazzi entsteht

Die Umstrukturierung der Villa Correr Agazzi, indem ein großes Adelsgeschoss und ein weiteres Stockwerk als Getreidespeicher hinzugefügt wurden, war die umfangreichste Veränderung.

Außerdem wurde eine geräumige Barchessa (26 × 15 m) errichtet, die über zwei Etagen ging und sich auf der rechten Seite der Villa befindet. Die großzügigen halbrunden Toröffnungen geben den Blick vom Sala Portego in den Garten frei und sind stimmungsvoll mit weißen Vorhängen dekoriert.

Dieser Gebäudeteil war ursprünglich zur landwirtschaftlichen Nutzung erbaut. Das Wort BARCHESSA leitet sich übrigens von SCHIFF ab.

Habt ihr den Boden der Barchessa genauer angesehen?

Ausgesprochen gut gefallen hat mir der antike istrische Steinblock in Form eines Löwenkopfes, der früher den Zugang zur Villa vom Anlegesteg aus markierte.

Am Boden sieht man den typischen Bodenbelag wie auf den Straßen Venedigs (achtet unbedingt beim nächsten Besuch in der Serenissima darauf). Die viereckigen Steinblöcke werden Masegni genannt und sind Trachite dei Colli Euganei, eine raue Gesteinsform vulkanischen Ursprungs aus der Gegend von Padua.

Bis kurz nach 1800 blieb die Villa im Besitz der Familie Agazzi und wurde dann an direkte Erben weitergegeben und später verkauft. Die Familie der heutigen Eigentümer hat sie um 1940 erworben.

Außen & innen im Wandel der Zeit

Die Fresken an der Südfassade der Villa wurden im 2. Weltkrieg größtenteils zerstört, aber bei den jüngsten Restaurierungen wurden erstaunliche Innenfresken aus dem 17. Jahrhundert entdeckt.

Leider wurde ein großer Teil davon beim Einbau der Elektrik ohne Rücksicht auf Verluste damals unwiederbringlich zerstört. Besonders diese Geschichte wurde mir lebhaft erzählt.

Die Kombination aus weißem Marmor und warmen Erdfarben verleiht dem Gebäude eine harmonische Balance zwischen Eleganz und Wärme.

Im Hauptgebäude gab es immer ein großes, zentrales Zimmer (Salone Passante), von dem aus die Nebenzimmer zu betreten waren. Dieser „Luogo di Delizia“, der Ort der Freude, war immer etwas ganz Besonderes.

Salotto Verde – der grüne Salon

Aber jedes der Zimmer erzählt von vergangenen Zeiten, als die Villa Correr Agazzi ein Zentrum der Kultur und des gesellschaftlichen Lebens war. Die sehr unterschiedlichen Räume strahlen eine Aura von Raffinesse und Opulenz aus.

⇒ 1650 – 1797 war die große Phase der venezianischen Villen.

Schlafen in der Villa Correr Agazzi

Heute kann man einige der Zimmer im Rahmen von Veranstaltungen dazumieten, falls man einmal herrschaftlich nächtigen möchte.

Bei meinem Rundgang durch die Villa Correr Agazzi habe ich gespürt, mit welchem Engagement die Eigentümer bemüht sind, alles bestmöglich zu erhalten und sanft zu restaurieren.

Eine kürzlich durchgeführte konservative Restaurierungsmaßnahme (2018-2021) betraf die Barchessa sowie den Park und brachte diese beiden wichtigen Elemente des Komplexes wieder in ihre ursprüngliche Form zurück.

Heute finden in der Villa ausgewählte Veranstaltungen wie Kongresse, Geschäftstreffen, Hochzeiten und Konzerte in elegantem, aber dennoch bodenständigem Rahmen statt.

Sogar an mögliches Regenwetter wurde gedacht. Falls eine Veranstaltung im Garten geplant ist, aber der Wettergott nicht mitspielt, dann gibt es seit einiger Zeit unter dem Dach eine Alternative. Der alte Getreidespeicher (Sala Granaio) wurde entsprechend umgebaut und kann bei Bedarf schnell für Gäste vorbereitet werden 🙂

Im unteren, linken Bereich neben der Barchessa finden Gäste den Sala Malvasia, einen gemütlichen Rückzugsort, falls der Trubel zu viel wird.

Natürlich gibt es auch (dezent versteckt) eine Gastro-Küche. Der jeweilige Caterer findet hier alles, was er für eine gelungene Veranstaltung braucht.

Besonders gefallen hat mir die Idee der Raumnutzung (Salottino della Sposa) im oberen Stock der Barchessa. Hier können Braut und Bräutigam getrennt voneinander Vorbereitungen für den großen Tag treffen.

Durch ein Arrangement mit dem Bürgermeister können auf dem Grundstück der Villa rechtlich gültige standesamtliche Trauungen durchgeführt werden.

Das gesamte Anwesen ist vom italienischen Staat als „Ort von besonderem künstlerischem und historischem Interesse“ geschützt.

Villa Correr Agazzi SnC

Via Fingoli, 1-2
30029 Biverone di S.Stino di Livenza (VE)

Maurizio Marchetto:
+39 335 595 1940
info [at] villacorreragazzi [dot] it

Die Villa Correr Agazzi ist nicht nur ein typisch regionales Bauwerk, sondern auch ein Symbol von unschätzbarem Wert für die Leidenschaft derjenigen, die sich darum kümmern. Für mich besonders hervorzuheben ist die Bewahrung dieses kulturellen Erbes für zukünftige Generationen. Es erinnert uns daran, wie wichtig es ist, unsere Geschichte zu schätzen, auch wenn die Instandhaltung mit vielen Kosten und Mühen verbunden ist.

Tanti Saluti

Elena


Offenlegung:

Der Beitrag ist ohne Bezahlung und Auftrag entstanden. Ich musste bei der privaten Besichtigung natürlich keinen Eintritt bezahlen und habe viel Erklärungen und ein Booklet als Gedankenstütze erhalten. GRAZIE dafür!


 

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