Mein Spaziergang durch Santarcangelo di Romagna

Ein Ort, der sich nicht aufdrängt, aber bleibt

Manche Orte brauchen keinen ganzen Tag, um in Erinnerung zu bleiben. Santarcangelo di Romagna gehört genau in diese Kategorie. Ich nehme euch mit in eine Stadt, die für viele nur ein Haltestopp zwischen Rimini und San Marino ist.

Es ist kein Ort, der sich in den Vordergrund spielt. Kein Weltkulturerbe, kein dramatischer Küstenblick, keine historisch bedeutende Burg auf Felszinnen. Und trotzdem, oder gerade deshalb, ist es ein Ort, der etwas kann, was viele größere Städte nicht geschafft haben:

Er ist mir in Erinnerung geblieben.

Anfahrt Santarcangelo di Romagna mit Blick auf die Burg

Santarcangelo di Romagna ist von meinem Startpunkt Lignano-Sabbiadoro ca. 300/350 km entfernt, was 3,5 – 4,5 Autostunden entspricht, je nach Route mit oder ohne Autobahn.

Die kleine Stadt liegt eingebettet in den Hügeln der unteren Emilia-Romagna, etwa zehn Kilometer landeinwärts von Rimini.

Eine bequeme Zugfahrt bringt euch an den Stadtrand, vorbei an Feldern, Weinreben und den sanften Hügeln der Romagna.

Wer lieber mit dem Auto unterwegs ist wird spätestens bei der Ortseinfahrt das Tempo drosseln. Nicht nur wegen der Kurven oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, sondern weil der Weg ins Herz der Stadt schon im Vorbeifahren Schönes erahnen lässt.

Wir waren auf der Durchreise, hatten eigentlich nicht viel Zeit. Aber der Wunsch nach einer Pause zum Beine vertreten hat uns bewogen, stehenzubleiben.

unterwegs zum Parkplatz mit Blick auf die burg

Einen Parkplatz (Parcheggio Gratuito Viale Cagnacci) hatten wir sehr einfach gefunden, aber wer näher am Zentrum sein möchte, findet Parkautomaten wie fast überall. An den Cafés und Läden erkennen wir schnell, dass hier nicht der Tourismus regiert, sondern italienischer Alltag … inklusive ausgedehnter Mittagsruhe!

Zwischen Wandbildern und Waschplätzen

Schon auf dem Weg in die Altstadt fielen uns die Murales ins Auge. Ein wirklicher Blickfang in Santarcangelo!

Murales beim Parkplatz

Kein Graffiti aus dem Schnellschuss, sondern durchdachte, oft poetische Wandbilder. Es lohnt sich, einfach die Augen offenzuhalten, denn Bilder werden euch immer wieder begegnen.

ungewöhnlicher Brunnen beim Parkplatz
Kopfsteinpflaster unter den Sohlen, Grotten unter den Füßen Gleich zu Beginn sind wir auf die berühmten Tuffsteinhöhlen gestoßen – oder besser gesagt: über sie hinwegspaziert. Über 150 von ihnen sollen sich unter der Stadt befinden. Wir haben keine davon besichtigt – einerseits aus Zeitgründen und andererseits befinden weder ich noch meine Begleitung uns gern in Höhlen oder ähnlichem.

Auf unserem Weg zum Zentrum kamen wir einer interessanten Brunnenlösung (Fontana di Tonino Guerra) vorbei, aber unübersehbar auch an einer wirklich sehr dominanten Mauer und sahen mit Freude, dass daran gearbeitet wird, den Ort “in Schuss” zu halten.

Ich retuschiere absichtlich solche Bilder nicht, denn das ist für mich das wahre Leben und zeigt, dass eine Stadtverwaltung “etwas tut”.

Baugerüst bei Renovierungen, die in vollem Gange sind

Dann kamen wir zum Lavatoio, dem alten Waschplatz, wo früher die Frauen der Stadt ihre Wäsche wuschen und miteinander tratschten.

Heute steht an dieser Stelle das Teatro Il Lavatoio, das nicht nur für Aufführungen genutzt wird, sondern auch für Konferenzen und Workshops. Aber auch Privatpersonen können es buchen.

Wegweiser Via Cesare Battisti

Ein weiteres Highlight ist das Theater-Festival „Festival Internazionale del Teatro in Piazza“, das jedes Jahr im Juli stattfindet. Ganz Santarcangelo wird dann zur Bühne. Keine roten Teppiche, keine VIP-Bereiche, dafür Clowns am Straßenrand, Impro-Gruppen unter Arkaden, und angeblich ganze Aufführungen auf Garagendächern.

Wer gern spontan staunt, ist hier gut aufgehoben. Wir waren aber leider im September hier, daher kann ich euch das nur vom Hören-Sagen und ohne Bilder empfehlen.

Unterirdische Überraschungen und Geschichten mit Tiefe

Was viele gar nicht wissen und wir auch nicht LIVE entdeckt haben: Unterhalb von Santarcangelo erstreckt sich ein riesiges Netzwerk von Tuffsteinhöhlen.

Plan der Höhlen unter Santarcangelo di Romagna

Über 150 von ihnen sollen sich unter der Stadt befinden. Ob sie zur Vorratshaltung dienten, als Fluchtsystem genutzt wurden oder als Kultplätze in den Stein gehauen wurden, die Theorien sind vielfältig und eine zuverlässige Antwort konnte ich nicht finden (Falls es jemand von euch weiß, immer gerne in die Kommentare schreiben).

Wir haben aber keine davon besichtigt; einerseits aus Zeitgründen und andererseits sind weder ich noch meine Begleitung gern in Höhlen oder ähnlichem.

Plakat Führung im Untergrund buchen

Solltet ihr dieses “Problem” aber nicht haben, dann bucht unbedingt eine Führung. Wir haben uns mit der Besichtigung von Ausgrabungen begnügt, denn auch das ist hier gut in Szene gesetzt.

Ausgrabungen in der Altstadt Santarcangelo di Romagna

Treppen mit Blick auf Turm
Treppen mit Blick auf Laterne
Treppen mit Blick auf venezianische Fenster

3 Museen fast Tür an Tür

Museo del Bottone

Am Weg hinauf auf den Hügel (Achtung – nicht nur Steigung, sondern auch Stufen), haben wir ein Knopfmuseum entdeckt (Via della Costa 11). Schade, dass es nicht geöffnet war, denn da ich gern nähe und generell Handarbeiten mag, wäre es für mich interessant gewesen.

Schild Museo del Bottone

Tonino-Guerra-Museum

Dem Fellini-Freund und Drehbuchautor wurde ein ganzes Museum gewidmet, da er auch Skulpturen und mehr geschaffen hat. Manche von euch kennen vielleicht „Ginger e Fred“ (1986, Fellini), eine Satire auf Fernsehen und Mediengesellschaft.

Tonino-Guerra-Museum
Loggia-Tonino-Guerra-Museum

MUSAS Museo Storico Archeologico

Nur wenige Schritte weiter, am Nonnenplatz, findet ihr ein Museum mit Kunstschätzen, die ich so nicht erwartet hätte (aber das Internet macht einen Blick auf mehr möglich). Bedauerlicherweise waren wir auch hier zur falschen Zeit.

Piazza delle Monache Collage

Die Burg über den Dächern

Wer den Aufstieg nicht scheut, sollte unbedingt die Rocca Malatestiana besuchen, die sich auf dem höchsten Punkt der Stadt erhebt. Die Festung geht auf das 10. Jahrhundert zurück und wurde unter der Familie Malatesta aus Rimini zur Verteidigungsanlage ausgebaut.

Blick auf die Altstadt Santarcangelo di Romagna

Von dort oben sieht man weit ins Land, wenn das Wetter passt. Die Burg selbst ist wuchtig, aber schlicht: kein Prunk, eher Zweckbau mit Geschichte.

Eingang Rocca Malatestiana
Rocca Malatestiana

Man spürt oben angekommen förmlich, warum diese Lage strategisch gewählt wurde. Die Burg ist privat geführt, Besichtigungen sind möglich, aber nur zu bestimmten Zeiten – also besser vorher nachfragen oder reservieren.

Rocca Malatestiana Santarcangelo di Romagna

Wir haben uns mit dem Blick auf und um die Burg begnügt, aber wir waren ehrlich gesagt mehr wegen der Aussicht da, denn unsere Zeit war (wie eingangs erwähnt) begrenzt.

Blick auf Santarcangelo di Romagna

Überraschungen am Weg ins Zentrum

Murales beim Wasserturm

Wieder ein tolles Wandbild, das so viele Details hat, dass ich immer noch Neues entdecke und gleich daneben das “Antico Acquedotto”, der achteckige Wasserturm von Santarcangelo.

Wasserturm
Beim Wasserturm

Nur wenige Schritte – Piazzetta Galassi – weiter ist dann der Uhrturm (Torre dell’Orologio, auch „Campanone“), den wir schon aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen haben und natürlich nicht achtlos daran vorbeigehen wollten.

Blick zum Uhrturm
Uhrturm

Er wurde kurz vor 1900 auf einem älteren Wehrturm erbaut und ist ca. 25 Meter hoch. Die Uhr und die Zinnen sind nicht zu übersehen, doch beim Windanzeiger mit dem Erzengel Michael muss man schon genauer hinsehen. Leider kann man nicht hineingehen, aber schön fand ich ihn trotzdem.

Ein Espresso nahe der Piazza Ganganelli

Essen ist in Santarcangelo kein Event, sondern Bestandteil des Lebens. Typische Gerichte der Gegend wie Piadine mit frischer Kräuterfüllung, handgemachte Pasta u. v. m. und natürlich Rotwein aus dem Umland.

2 Lokale in Santarcangelo di Romagna

Bunte Stühle im Gastgarten
sandfarbenes Haus mit Lokal

Ein Tipp, der mir immer wieder untergekommen ist bei meiner Recherche: Wer in der „Osteria La Sangiovesa“ einkehrt, bekommt nicht nur regionale Spezialitäten, sondern auch ein Stück Lokalgeschichte serviert. Die Einrichtung ist rustikal, die Speisekarte wechselt mit der Saison, und Grappa gibt es natürlich auch.

Bei meinem nächsten Besuch in der Gegend will ich das auf jeden Fall testen!

lachsfarbenes Haus mit Lokal
Rote Stühle im Gastgarten

Wir waren genau zwischen “Pranzo & Cena” (Mittag- & Abendessen) hier und daher wurde aus dem Essen ein Besuch in einer Retro-Cafeteria & Weinbar, die mir ganz besonders gut gefallen hat: das Caffè Commercio.

Caffe Commercio

Ich hätte mir gewünscht, auch die toll aussehenden Drinks zu versuchen, doch mitten am Tag sind Cocktails wohl keine so gute Idee. Daher haben wir es bei Kaffee belassen und nur die kleinen Leckereien gustiert.

Collage Retro-Lokal Santarcangelo di Romagna

Was für ein Triumphbogen

Im Zentrum der Stadt steht der Arco Ganganelli, ein Triumphbogen, der an Papst Clemens XIV. erinnert, den berühmtesten Sohn der Stadt. Daneben ein Brunnen, Bänke und Cafés.

Arco Ganganelli

Die Piazza lebt. Nicht als Attraktion, sondern als Treffpunkt. Das war bei unserem Besuch trotz der Mittagsruhe nicht zu übersehen.

Piazza Ganganelli Richtung Zentrum

Ich könnte euch noch unzählige Bilder zeigen, denn ich war selber überrascht, wie viel ich doch hier fotografiert habe. Aber wenn ihr aufmerksam auf Facebook und Instagram bleibt, dann sehr ihr zumindest einige davon 🙂

Kleine Ausflüge mit großer Wirkung

Santarcangelo di Romagna ist der perfekte Ausgangspunkt für Ausflüge. Nicht weil es hier nichts zu sehen gäbe, sondern weil es in der Umgebung viel sehenswerte Dörfer und kuriosen Geschichten gibt.

Wer Meerluft braucht, der ist in einer guten Viertelstunde in Rimini. Dort kann man sich in den Trubel stürzen oder auch gezielt die römischen Überreste entdecken, die in der Stadt ein überraschend stilles Eigenleben führen.

Da wäre zum Beispiel auch noch Verucchio, nur wenige Minuten entfernt. Eine mittelalterliche Festung, die auf einem Fels thront und einen Ausblick bis zur Adria bietet. Oder wahlweise das Castello di Montebello, auch Castello di Guidi di Bagno genannt, oder San Leo, ein weiteres Schmuckstück, das man eigentlich niemandem erzählen sollte, um es nicht mit Reisebussen zu ruinieren. Die 3 genannten sind befestigte Anlagen, die man in kurzer Zeit erreichen kann.

Sollte das noch nicht genügen, dann ist Richtung Süden Urbino (ca. 1 h) und Richtung Norden Cesena (ca. 1/2 h) möglich.

Und dann?

Dann sind wir weitergezogen. Aber nicht, ohne kurz noch einmal zurückzublicken. Santarcangelo di Romagna ist klein. Man kann es an einem Nachmittag durchstreifen.

Collage in Pink

Und trotzdem gab es etwas, das besonders gut zu mir bzw. zu meinem Blog gepasst hat: Eine kleine, romantische Gasse (Vicolo Amaduzzi), die als Via dell’Amore bezeichnet wird. Hier war nicht nur eine Blütenpracht, sondern von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die grünen Hügel des Marecchia-Tals.

LiebesrezeptSantarcangelo di Romagna ist ein Ort für Menschen wie mich. Menschen, die lieber entdecken als abhaken. Für alle, die sich beim Gehen nicht beeilen wollen. Und sich treiben lassen! Ohne das übliche touristische Must-see.

Und wenn man dann wieder weiterzieht, hat man das Gefühl, etwas Schönes entdeckt zu haben. Uns ist es jedenfalls so gegangen und ich würde jederzeit wiederkommen, um mehr zu sehen.

Tanti Saluti

Elena


Offenlegung:

Dies ist ein rein redaktioneller Artikel ohne Auftrag und Bezahlung im Zuge einer privaten Rundreise ♥


 

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