Der Adel geizte in Venedig nicht mit Prunk
Die ca. 200 Palazzi entlang des Canal Grande zeigen uns die venezianische Geschichte in schönster Form. Man zeigte, was man hat und schuf damit Zeitzeugen der Architektur vergangener Tage.
Wie aufmerksame Leser bereits wissen, lassen sich die Palazzi bei einer Vaporetto Fahrt mit der Linie 1, die an jeder Haltestelle abwechselnd links oder rechts hält, am besten bewundern.
Hier kann man sich einen ersten Überblick verschaffen und den ein- oder anderen Palazzo auswählen, den man dann auch von innen besichtigen möchte. Viele dieser wunderschönen Gebäude sind privat, aber bei einer kleinen Auswahl ist das möglich.
Palazzo Vendramin-Calergi
Wir beginnen unsere Fahrt beim Bahnhof „Venezia Santa Lucia“ und schon nach kurzer Fahrt sieht man den Palazzo Vendramin-Calergi. Obwohl der Palazzo bereits vor 1500 erbaut wurde, kam der rechte Flügel erst nach 1600 als Ergänzung zu der heutigen L-Form hinzu und stellt einen Höhepunkt der Renaissance-Architektur dar.
In diesem Palast in der Nähe der „Fondaco dei Turchi“ starb Richard Wagner und zur Erinnerung ist eine Gedenktafel angebracht, die man gut vom Vaporetto aus sehen kann.
Ich kann mich noch gut erinnern als ich einmal ohne Begleitung Vaporetto gefahren bin. Ein sehr netter Einheimischer hat mir bis zu meiner Ankunft am Bahnhof viele Erklärungen zu den Gebäuden und leicht zu übersehenden Details wie dem Wagner Bild gegeben. Das ist Jahre her, aber ich spüre immer noch seinen Stolz (ohne hochmütig zu wirken), Venezianer zu sein.
Ein kleines Richard-Wagner-Museum erinnert zusätzlich an den Komponisten. Die meisten Räume des Palazzo werden jedoch für das „Casino di Venezia“ genutzt, wie man am Landungssteg und dem dunkelroten Banner gut erkennen kann.
Cà Pesaro
Der zweitgrößte Palast in Venedig, beherbergt im ersten Stock, dem Piano Nobile, die Internationale Galerie für moderne Kunst und im zweiten Stock das Orientalische Museum. Vorbild für diesen Palast war die „Biblioteca Marciana“ beim Markusplatz.
Die Bauzeit war mit fast 200 relativ lang, doch im Gegensatz zu vielen anderen Palästen sind auch die Seitenfassaden hier kunstvoll ausgeführt (Haltestelle San Stae). Ein wunderbares Beispiel der Barockarchitektur des 17. Jahrhunderts, entworfen von Baldassare Longhena, der in Venedig für einige wunderschöne Palazzi verantwortlich ist.
Cà d’Oro
Unsere Fahrt geht weiter zum Cà d’Oro, einem spätgotischen Palazzo mit reich verzierter Fassade und kostbaren Dachzinnen. Die Zweiteilung der Fassade ist nicht zu übersehen: mit der offenen Hälfte wollten die Besitzer ihren Reichtum zeigen; die geschlossene Hälfte hatte einzig und allein praktische Gründe, da die Räume so besser genutzt werden konnten.
Heute kommen hier Liebhaber von venezianischer Gotik bis hin zum Barock auf Ihre Kosten. Die „Galleria Giorgio Franchetti alla Ca’ d’Oro“ ist eine weithin bekannte Kunstsammlung. Unter anderem zu sehen ist Tizians berühmtes Gemälde „Die Venus“, das Relief eines jungen Ehepaars von Tullio Lombardo sowie ein Brunnen Entwurf von Bernini.
Fresken Fragmente aus der „Fondaco dei Tedeschi“ und der Kirche Santo Stefano befinden sich in der Halle im 2. Stock. Besonders schön ist die geschnitzte Treppe in den linken Räumen des Palastes.
Dieser Palazzo ist besonders schön in der Dämmerung bzw. nachts anzusehen, da die Beleuchtung das Gebäude optimal in Szene setzt.
Palazzo Michiel dalle Colonne
Auf der Höhe vom Fischmarkt (Pescheria) sind gegenüber die Säulen vom Palazzo Michiel dalle Colonne perfekt zu sehen. Dieser wunderschönen Loggia verdankt der Palast auch seinen Namen.
Palazzo dei Camerlenghi
Wir nähern uns der Rialto Brücke und unübersehbar dem fünfeckigen Palazzo dei Camerlenghi, in dem früher der Sitz der Finanzverwaltung von Venedig untergebracht war. Die Nähe zu Rialto war bewusst gewählt: Alle Zellen für Steuersünder waren im Erdgeschoss und somit einsichtig für die vorbeigehenden Passanten. Wie peinlich muss das für die Insassen gewesen sein!
Einen schönen Blick auf diesen Palazzo hat man auch vom Dach der „Fondaco dei Tedeschi“
Cà Farsetti
Nur wenige Gebäude weiter ist das Cà Farsetti, das Rathaus von Venedig (Municipio). Einige werden es vielleicht kennen: nicht nur George Cooney hat hier geheiratet. Die fünfzehn Arkaden im Piano Nobile sind vom Vaporetto aus nicht zu übersehen.
Palazzo Pisani Moretta
Dieser Palazzo ist ein besonders schönes Beispiel des späten 15. Jahrhunderts. Starke Umbauten haben zwar die gotische Form bewahrt, jedoch sich die Innenräume meist barock oder neoklassisch.
Zwei fast idente Piani Nobile liegen gut erkennbar übereinander, wobei im zweiten Geschoss ein großer Ballsaal untergebracht ist. Der Palazzo ist mit dem Gebäude daneben, dem Palazzo Barbarigo della Terrazza, baulich wie geschichtlich verbunden.
Palazzo Cá Foscari
Das Hauptbüro der Universität der Stadt Venedig ist im Palazzo Cá Foscari untergebracht. Als eines der letzten Bauwerke der Spätgotik zeigt das ursprünglich als Privathaus gedachte Gebäude wunderschöne und bedeutende Spitzbogen Architektur.
Der Palazzo kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden, aber es lohnt sich auch, von der Landseite aus in den Innenhof zu gehen. Durch seine optimale Lage kann man von hier aus sowohl bis zur „Ponte di Rialto“ als auch zur „Ponte dell’Accademia“ sehen.
Palazzo Grassi
Fast direkt gegenüber zeigt der Palazzo Grassi herausragende klassizistische Architektur. Dieser Palazzo beherbergt die Privatsammlung des Multi-Milliardärs François Pinault, die seit 2006 besichtigt werden kann. Solltet ihr hineingehen, so werdet ihr im Inneren des Gebäudes einen großen Innenhof mit einer sensationellen Treppe vorfinden.
Drei Viertel unserer Fahrt haben wir inzwischen hinter uns, bevor wir zum nächsten Gebäude kommen, in dem ein Museum untergebracht ist.
Cà Rezzonico
In diesem Palazzo war der letzte Wohnsitz des Dichters Robert Browning. Es beherbergt das „Museo Del Settecento Veneziano“, in dem venezianischer Spätbarock (18. Jahrhundert) in seiner schönsten Ausprägung gezeigt wird (antike Möbel und Dekorationen, die einen Einblick in den Lebensstil dieser Zeit bieten). Ebenso zu besichtigen ist
- eine alte Apotheke,
- die Pinacoteca Martini und
- ein kleines Theater.
Erbaut wurde der Palazzo von Baldassare Longhena (dem Architekten von „Santa Maria della Saluta“), wobei die Fertigstellung ein anderer Architekt übernehmen musste, nachdem der ursprüngliche Besitzer kein Geld mehr hatte.
Der Ballsaal ist besonders herausragend und nimmt die Breite des ganzen Gebäudes ein. Wer Zeit hat, sollte im „Giardini di Ca’ Rezzonico“ Pause machen.
Palazzo Barbarigo
Für alle Vorbeifahrenden eines der lohnendsten Fotomotive: der Palazzo Barbarigo aus dem 16. Jahrhundert, direkt beim Campo S. Vio. Die aufwendigen Bildgeschichten aus Muranoglas im ersten Stock und die beiden Portraits im 2. Stock wurden erst kurz vor 1900 geschaffen.
Die Besitzer des Gebäudes waren Betreiber einer Glasfabrik auf Murano und konnten es sich daher leisten. Auch heute gibt es noch in Teilen des Gebäudes ein Ausstellungsraum sowie ein Geschäft für Muranoglas.
Palazzo Venier dei Leoni
Im Gegensatz zu allen anderen Palazzi ist dieser ein Flachbau. Ursprünglich war der Bau viergeschossig geplant, doch nur ein knappes Drittel des Erdgeschosses wurde realisiert; trotzdem hat das Gebäude mit dem angrenzenden Garten seinen Reiz. Als besonders ungewöhnlich empfinde ich die Terrasse mit Blick auf den Kanal.
Seit 1980 wird hier die „Collezione Peggy Guggenheim“ gezeigt. Im Museum, in dem es auch ein Restaurant gibt, bekommt man einen wunderbaren Überblick über die Kunst des 20. Jahrhunderts. Die Urne der Kunstmäzenin sowie ihre Haustiere sind im Garten bestattet.
Palazzo Cà Dario
Inzwischen sind wir fast am Ende unserer Fahrt durch den Canal Grande angekommen. Der Palazzo Cà Dario mit seinen Blumenfenstern ist zwar nicht besonders groß, aber ein besonderes Architektur-Juwel verglichen mit den anderen Bauten. Die asymmetrische Bauweise der Früh-Renaissance und die farbigen Marmorintarsien machen auch ihn zu einem begehrten Fotomotiv.
Man mag es glauben oder nicht, aber dieser Palazzo soll angeblich verflucht sein; alle bisherigen Bewohner bzw. Besitzer waren vom Unglück verfolgt. Ich neige zwar nicht zu solchen Aberglauben-Geschichten, aber es ist schon auffällig, dass quasi jeder Besitzer eines unnatürlichen Todes gestorben ist, wie meine Recherche ergeben hat…
Palazzo Salviati
Unser letztes Beispiel ist ein schöner, wenn auch nicht sehr alter Palazzo der Familie Salviati. Die Besitzer zählen seit 160 Jahren zu den renommiertesten Glasherstellern in Venedig.
…und dann gäbe es natürlich noch den Palazzo Ducale!
Unsere Tour endet vor dem Palazzo Ducale, denn diesen im Detail zu beschreiben füllt ganze Bücher. Die Adeligen vor ca. 500 Jahren wollten Macht und Reichtum zur Schau stellen. Noch heute dürfen wir uns daran erfreuen.
Zweifellos ist das nur eine winzige Auswahl der Palazzi, aber auf diese wenigen sollte man unbedingt achten, wenn man zum 1. Mal im Vaporetto den Canal Grande fährt.
Ich habe noch viele weitere fotografiert und viele Geschichten recherchiert. Sobald ich Zeit dazu finde, werde ich euch einige weitere zeigen, die vielleicht nicht ganz sooo spektakulär sind, aber mich trotz begeistert haben.
Sehnsüchtig blicke ich bei jedem Besuch zurück, bei meiner letzten Vaporetto-Fahrt Richtung Bahnhof. Ich hoffe immer, dass ich schon bald wiederkommen werde, aber trotzdem ist da jedes Mal dieses Herzklopfen, wenn ich an den letzten Palazzi vorbeifahre.
Venedig ist nicht nur eine Stadt – Venedig ist eine ganz große Liebe!
Wenn ihr wie ich gar nicht genug bekommen könnt von dieser wunderbaren Stadt und den wichtigsten Inseln, dann schaut euch auch meine 2 Hauptbeiträge zu Venedig an. Wenn ihr einen Vaporetto Pass kaufen möchtet, dann geht das auch online.
Tanti Saluti
Elena
Offenlegung:
Diese Sammlung ist auf meinen unzähligen Reisen nach Venedig entstanden und eine willkürliche Auswahl.
Hallo, I would like to know, which Palace in Venice, belongs to my family ” Spinelli”
Thank you in advance,
Saskia Pitti
Hi Saskia,
please ask https://www.veneziaunica.it/de/content/contatti
I am the wrong person for this.
Best regards
Elena
Wow, die Architektur dieser Gebäude ist wirklich schön!
Da wurde ja absolut mit dem Prunk gegeizt, wie du so schön sagst.
Ich frag mich, wer als allererstes auf die Idee kam, solch architektonische Bauten zu konstruieren!
<3
Michelle
Liebe Michelle,
das ist eine sehr gute Frage! Vermutlich war es das Imponiergehabe von Männern zur damaligen Zeit, die immer größer, besser, höher bauen (lassen) wollten. Das Ergebnis begeistert mich aber immer wieder, obwohl ich schon so oft dort gewesen bin.
Viele liebe Grüße
Elena